Schon von Weitem sind in der sternenklaren, aber trotzdem sehr dunklen Nacht die blinkenden orangen Warnlichter zu sehen. Die Kreuzung in der Haldorfer Ortsmitte ist für den Verkehr gesperrt. Auf einem Schwerlasttransporter liegt eine riesig anmutende, silberfarbene Brücke. „Die Brücke wiegt 21 Tonnen und ist eine Fachwerkkonstruktion“, sagt Edermündes Bürgermeister Thomas Petrich. Doch das Gewicht ist das geringste Problem, das die Logistiker umtreibt, die für den Transport verantwortlich sind. Rückwärtsgang, Vorwärtsgang – es ist ein ständiges Hin und Her. Teilweise geht es um wenige Zentimeter – die Brücke hat eine Spannweite von 50,4 Metern und ist drei Meter breit. Das Bauwerk ist Teil des rund 2,3 Kilometer langen Radweges, der zwischen Grifte und Wolfershausen ausgebaut wird. Gesamtkosten: knapp 2,1 Millionen Euro. Allein auf die Brücke entfallen knapp 562 000 Euro. Jedes Mal, wenn die Arbeiter, die den Transport begleiten, ausatmen, entsteht eine Wolke aus Dampf im Licht ihrer Kopflampen. Nicht nur auf der riesigen Brücke aus Aluminium, sondern auch auf Dächern, Bäumen und in den vielen Haldorfer Vorgärten hat sich eine weiße Schicht gebildet. Minus 8,5 Grad zeigt das Thermometer um kurz nach 22 Uhr. Der Weg durch Haldorf bis nach Wolfershausen und über die Eder ist die letzte von insgesamt drei Etappen, die das kolossale Bauwerk zurücklegen muss. Hergestellt wurde die Brücke von der Firma Glück im baden-württembergischen Engen nahe der Schweizer Grenze. Die relativ kurze letzte Etappe bietet jedoch einige kritische Punkte. Die Kreuzung Holzhäuser Straße/Dissenser Straße/Wolfershäuser Straße mitten im Kern des Dorfes, ist eine davon. Denn dort wird es besonders eng. „Gott sei Dank haben wir die Laterne abgebaut“, ruft einer der Arbeiter. Edermündes Bürgermeister Thomas Petrich berichtet, dass bereits im Vorfeld Arbeiten an der Fahrtstrecke vorgenommen wurden, damit der Transport passieren kann – ohne dass Brücke oder Umgebung beschädigt werden. Dick eingepackt stehen rund zwanzig Menschen an der Kreuzung, um sich die außergewöhnlichen Szenen anzuschauen. Willst du auch ein Bier?“, fragt einer der Schaulustigen einen Bekannten, der lacht und dann zugreift. Viele haben ihre Handykameras gezückt und schauen sich interessiert an, was da in ihrem Heimatort vor sich geht. Die Gemeinde habe den Termin bewusst nicht öffentlich gemacht, damit nicht zu viele Schaulustige kommen und gegebenenfalls den Transport behindern, so Petrich. Gut zwanzig Menschen sind es, die sich das seltene Schauspiel vor der eigenen Haustür nicht entgehen lassen wollen. Damit der Schwerlasttransport weiterfahren kann, ist trotz guter Vorbereitung in einigen Situationen schnelles Handeln gefragt. Plötzlich steht alles still. Wie im Handumdrehen demontieren zwei Arbeiter ein Straßenschild und die Kolonne kann die Kreuzung passieren. Ein zweites Nadelöhr ist die Wolfershäuser Brücke. Hier muss es mitten in der Nacht noch einmal länger gedauert haben, erzählt ein Zuschauer. Morgens um 8 Uhr geht es für die Logistik-Profis und Brückenbauer nach einer Ruhepause in den Endspurt. In einer Hand das Funkgerät, in der anderen das Lenkrad. Der Blick verharrt im Außenspiegel. Konzentriert manövriert der Fahrer des Lkw die Brücke in Richtung Eder – rund 1,5 Kilometer im Rückwärtsgang. Und was nicht passt, wird passend gemacht. Mit einer Kettensäge schneiden die Transport-Spezialisten immer wieder Äste ab, die über den Weg ragen. Ansonsten wäre für das 21 Tonnen-Ungetüm aus Aluminium und den Truck kein Durchkommen. Als der Transport an der Eder ankommt, wird er schon von drei Kränen erwartet – einer davon ist besonders massiv. Der wird später die Brücke auf ihren Platz heben. Die benötigten Beton Fundamente wurden vorab gebaut. Doch zunächst muss die Brücke abgeladen und einmal um 180 Grad gedreht werden – denn der Transport erfolgte wegen der Wölbung der Brücke kopfüber. An beiden Enden und in der Mitte sind Hebebänder befestigt, die mit den Kränen verbunden sind. Ein Vorarbeiter hält ein Funkgerät in der Hand. Er ist in ständigem Austausch mit den Kranführern und den beiden Kollegen, die an den Enden der Brücke stehen. Ganz langsam dreht sich die Brücke, bevor sie auf dicken Holzklötzen auf der Seite abgelegt wird. Nachdem die Bänder an anderen Stellen befestigt worden sind, kann es weiter gehen und die Kräne drehen die Brücke auf die richtige Seite. Doch noch liegt sie am Ufer. Die Arbeiter entfernen nun einige Stahlstreben, die der Transportsicherung dienen und bringen neue Transportbänder an. Mehrere Stunden sind seit Arbeitsbeginn vergangen – doch dann geht es auf einmal ganz schnell. In nur wenigen Minuten hebt der größte der drei Kräne die Brücke über das Wasser in die Fundamente. Nur wenige Zentimeter Abweichung dürfen es sein. Doch die Arbeiter meistern die Aufgabe routiniert. „Passt!“, ruft der Vorarbeiter ins Funkgerät und die Brücke ist an ihrem Platz.